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LÜKEX

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Von Patrick Rörig

Am 27./28. Januar 2010 findet wieder die „LÜKEX“ („Länder Übergreifende Krisenmanagement-Übung/EXercise) unter der Fachlichen Federführung des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit mehreren fiktiven Unfällen, Anschlagsdrohungen und Sprengstoffanschlägen statt.

Zum nunmehr vierten Mal findet die gesamtstaatliche Krisenmanagementübung LÜKEX 09/10, wo der Bund mit rund 20 betroffenen Bundesbehörden und allen 16 Bundesländern 36 Stunden lang die Bewältigung von Krisen in außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen bei Tag und bei Nacht üben. Auch viele Unternehmen unter anderem auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Flughafen Köln/Bonn sowie Hilfsorganisationen, Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr beteiligen sich an der Übung.

Sämtliche an der Übung beteiligten Ministerien von Bund und Länder werden in einem Mehrschichtbetrieb arbeiten, sodass auch die Verpflegung eine Rolle spielt da ein Mehrschichtbetrieb in der Regel gar nicht vorgesehen ist.

Alleine in der Zentralen Übungssteuerung die in der AKNZ (Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz) seinen Platz hat werden 212 Mitarbeiter die Übung begleiten und Steuern.

„Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat als zentrale Stelle im nationalen Bevölkerungsschutz die Federführung für die LÜKEX 09/10. Wir haben sie vorbereitet, führen sie durch und werten sie anschließend aus. Die Übungsserie trägt erheblich zur Weiterentwicklung der gesamtstaatlichen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung bei“, sagte Christoph Unger, Präsident des BBK.

Christoph Unger, Präsident des BBK

Das BBK hat die Übung gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern zirka zwei Jahre intensiv vorbereitet. Das fiktive Übungsszenario beinhaltet mehrere Anschlagsdrohungen sowie Anschläge mit konventionellen Sprengstoffen wie auch mit Sprengstoffen mit chemischer oder radioaktiver Beiladung.

Auch der Umgang mit den Medien und der Bevölkerung, die so genannte Krisenkommunikation, ist Teil der Übung. Während der Übung setzt die Zentrale Steuerungsorganisation im BBK das LÜKEX-Drehbuch mit 974 Übungseinlagen um, darunter auch simulierte Twitter-Meldungen. Diese gewollte Übungskünstlichkeit ist notwendig, um bei zirka 3.500 Teilnehmern bundesweit die gewünschte Übungsintensität zu erreichen.

Leiter Internationales Pressezentrum

Pressevertreter beim Kontakt mit der Stabsstelle

Materialen der LÜKEX Pressearbeit

Neben der Übungsplanung und –steuerung beteiligt sich das BBK selbst intensiv an der Übung, u. a. mit seiner Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe, dem Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum und Fachberatern für Fragen bei chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Anforderungen.

„LÜKEX ist mehr als eine Übung, wir sprechen von dem ‚System LÜKEX’. Lange vor den Übungstagen haben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ausbildungsmaßnahmen begonnen, Coachings in den Ländern veranstaltet und fachspezifische Workshops durchgeführt“, sagte Unger.

v.l.n.r Dr. Wolfgang Grambs (Fachberater Krisenmanagement), Wolfgang Weber (Leiter der Akademie), Christoph Unger (Präsident des BBK), Norbert Reez (Leiter LÜKEX)

weitere Eindrücke aus der Zentralen Übungsleitung

Unger stellte auch schon das Thema der nächsten LÜKEX „Angriff auf das NETZ“ die Ende des Jahres 2011 stattfinden wird vor.

Nun noch einmal einen genauen Überblick was die LÜKEX überhaupt ist, warum sie ins Leben gerufen wurde, wie die Übungen ablaufen und woraus sie entstanden sind.

Warum LÜKEX?

Nach der föderalen Ordnung des Grundgesetzes tragen in der Bundesrepublik Deutschland die Länder die Verantwortung für die allgemeine Gefahrenabwehr im Frieden, so z.B. bei der Abwehr von Naturkatastrophen, Industrieunfällen, Seuchen oder auch Terroranschlägen. Der Bund unterstützt die Länder bei besonders komplexen Ereignissen oder solchen von nationaler Bedeutung. Auf Ersuchen der Länder obliegt ihm beispielsweise das Management strategischer Ressourcen.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und dem Elbehochwasser 2002 fand in Deutschland ein Umdenken statt. Der in 50 Jahren föderaler Zuständigkeitsverteilung gewachsene Zivil- und Katastrophenschutz wurde daraufhin überprüft, ob seine Strukturen sich der geänderten Bedrohungslage gewachsen zeigen würde. Letztlich kam die Innenministerkonferenz 2002 zu dem Schluss, Deutschland verfüge über ein leistungsfähiges System der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, die Fähigkeiten aller Akteure dieses Systems seien aber noch konsequenter als in der Vergangenheit aufeinander abzustimmen und miteinander zu vernetzen. In der Folge wurde auf Bundes- und Länderebene das staatliche Krisenmanagement konsequent ausgebaut und optimiert. 2004 stellte die länderübergreifende Krisenmanagementübung Exercise LÜKEX dieses Krisenmanagement erstmals auf die Probe.

Was ist LÜKEX?

LÜKEX ist eine ressort- und länderübergreifende Krisenmanagementübung. In die Übungsserie werden die Krisenstäbe verschiedener Verwaltungsebenen (Bundesressorts, Länder, Regierungspräsidien, Landkreise) und je nach Übungsszenario auch die von Wirtschaftsunternehmen, Verbänden und Hilfsorganisationen einbezogen. Es werden Strukturen beübt und Verfahren erprobt. Ein wesentliches Ziel besteht darin, anhand des gewählten Szenarios die Handlungen der Akteure zu harmonisieren, komplexe Fähigkeiten zu konzentrieren und Synergien zu schaffen.

Wie funktioniert LÜKEX?

Das Konzept

Die Übung soll eine krisenfeste Abstimmungs- und Entscheidungskultur zwischen den Ländern und dem Bund etablieren. Das Übungskonzept sieht vor, dass das Bundesinnenministerium gemeinsam mit anderen zuständigen Bundesressorts über einen mehrjährigen Planungszeitraum potentielle Übungsszenarien für LÜKEX entwickelt. Die Länder entscheiden dann frei darüber, ob und in welchem Umfang sie sich an den jeweiligen Übungen beteiligen. Die Szenarien bilden grundsätzlich überregionale, komplexe Schadenslagen wie großflächige Überschwemmungen, lang anhaltenden Ausfall wesentlicher Teile der kritischen Infrastrukturen oder terroristische Anschläge ab. LÜKEX erfüllt damit jenseits der gut organisierten und erprobten Gefahrenabwehr auf örtlicher und regionaler Ebene den Anspruch, die Fähigkeit des Staates zur Bewältigung von Krisen nationaler Dimension auf den Prüfstand zu stellen. Insbesondere soll das Zusammenwirken auch der politischen Führung auf Bundes- und Länderebene geübt werden.

Die Übung

Aus Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten wurde LÜKEX als Stabsrahmenübung angelegt, also als Übung ohne den Einsatz operativer Kräfte wie Feuerwehren oder Hilfsorganisationen. Den Bundes- und Landesbehörden steht es frei, realitätsnahe Vollübungen anzuhängen. Diese sind jedoch nicht Bestandteil der LÜKEX.

Um eine Krise zu bewältigen, müssen alle Partner der zivilen Sicherheitsvorsorge zusammen arbeiten. Neben der polizeilichen und nicht polizeilichen Gefahrenabwehr kommt je nach Ausmaß eines Schadensereignisses auch die Bundeswehr im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit zum Einsatz. Da sich die Kritischen Versorgungsinfrastrukturen (z.B. Verkehr/ Logistik, IT, Energieversorgung, Telekommunikation) zunehmend in privater Hand befinden, nehmen auch immer mehr Wirtschaftsunternehmen an den Übungen teil. Gleiches gilt für die privaten Hilfsorganisationen, die ihren Anteil am nationalen Hilfeleistungssystem überwiegend mit ehrenamtlichen Kräften leisten.

Innerhalb des Krisenmanagements spielt bei LÜKEX die Krisenkommunikation einschließlich der Information der Bevölkerung eine herausragende Rolle.

Drehbuch und Übungssteuerung

Die Übung wird von einer Bund-Länder-Projektgruppe unter Leitung des BBK geplant und vorbereitet. Sie hat den Auftrag, die Übung möglichst realistisch zu gestalten und dabei den spezifischen Bedingungen der einzelnen Bundesländer Rechnung zu tragen. Gleichzeitig soll aber die Forderung nach einem Szenario erfüllt werden, das eine gesamtgesellschaftliche Betroffenheit erzeugt.

Die Übungsvorbereitung kann bis zu 18 Monaten dauern. Ihr kommt eine herausragende Funktion zu: In zahlreichen Arbeitstagungen und Abstimmungsbesprechungen werden gemeinsame Standards der Krisenbewältigung entwickelt und fortgeschrieben. Workshops bereiten die Übungsteilnehmer aus öffentlichen und privaten Institutionen auf die Übung vor. Dabei können schon im Vorfeld Schwachstellen des Krisenmanagements erkannt und beseitigt werden. Das Drehbuch zur Übung wird in themenspezifischen Workshops erarbeitet. Möglichst alle betroffenen Institutionen werden dabei einbezogen.

Die Gesamtleitung der LÜKEX hat das Bundesinnenministerium, lageabhängig ggf. gemeinsam mit anderen Bundesressorts. Unterstützt wird die Ressortebene durch eine dislozierte Übungssteuerungsorganisation auf allen beteiligten Verwaltungsebenen, wobei die Fäden in der zentralen Übungssteuerung an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) des BBK in Bad Neuenahr-Ahrweiler zusammen laufen.

Ergebnisse und Auswertung

Nach der Übung werden die Ergebnisse in einem Auswertebericht zusammengestellt und fließen in Handlungsempfehlungen für das strategische Krisenmanagement, in die Aus- und Fortbildung, die Weiterentwicklung technischer Führungs- und Einsatzmittel und in die Forschung im Bevölkerungsschutz ein. Bewertet werden außer dem Übungskonzept selbst vor allem Strukturen und Verfahren des ressort- und länderübergreifenden Krisenmanage-ments.

Inhalte bisheriger LÜKEX-Übungen

Die Szenarien der bisherigen drei Übungen knüpften an Gefahrenlagen mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit an. Mittlerweile haben alle Bundesländer mindestens einmal an LÜKEX teilgenommen, einige auch schon mehrfach.

Vier Bundesländer beteiligten sich an der ersten 3-tägigen LÜKEX-Übung im November 2004. Bayern und Baden-Württemberg übten den Fall einer winterlichen Extremwetterlage mit rund zweiwöchigem Stromausfall in großen Teilen des Landes. Zeitgleich ereigneten sich in Berlin und Schleswig-Holstein fiktive Terroranschläge mit teils chemischer Beimengung. In Schleswig-Holstein wurde zudem ein Anschlag auf ein Fährschiff angedroht, das sich auf hoher See befand. Damit wurde das Thema „Seesicherheit“ in das Übungsszenario eingebunden. Das Übungsszenario „Stromausfall“ war in Anlehnung an den Orkan „Lothar“ 1999 erstellt worden, der in der Schweiz zu mehrtägigen Stromausfällen geführt hatte. Die Übung wurde beim Stromausfall im Münsterland 2005 von der Realität eingeholt.

Das Drehbuch erarbeiteten die Übungsteilnehmer in ca. 150 Workshops und Planbesprechungen zu Teilaspekten der Übung. Hinzu kamen rund 80 Besprechungen mit den beteiligten Akteuren Kritischer Infrastrukturen (Energieversorger). Das Drehbuch umfasste schließlich 3.000 Seiten.

An der Übung nahmen insgesamt acht Bundesressorts, alle Sicherheitsbehörden des Bundes und die Bundeswehr teil. Auf Landesebene beteiligten sich vier Krisenstäbe der Landesregierungen, elf Regierungspräsidien und 38 Stadt- und Landkreise. Auch Energieversorgungs- und Lebensmittelunternehmen übten mit. Insgesamt waren rund 5.000 Personen beteiligt, davon allein 1.000 in der IT-gestützten Übungssteuerung.

LÜKEX 2005 orientierte sich thematisch an internationalen Großveranstaltungen. Sie wurde ein Jahr früher als geplant umgesetzt, um die gewonnenen Erkenntnisse für die Sicherheits-konzepte der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nutzen zu können. Dem Drehbuch lagen Terroranschläge auf öffentliche Verkehrseinrichtungen und witterungsbedingte Katastrophen sowie technische Havarien in sechs übenden Bundesländern (Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen) zugrunde. Auch aus dem Ausland übertragene Seuchen wurden bundesweit in die Übung eingebunden. Das Übungsszenario sollte vor allem zeigen, ob Großveranstaltungen trotz hoher Opferzahlen und einer andauernden Bedrohung fortgesetzt werden könnten.

Mit sieben Bundesländern, elf Bundesressorts und ca. 50 Unternehmen, Hilfsorganisationen und Verbänden war die LÜKEX 2007 die bisher umfangreichste Übung der Serie. An zwei Tagen übten rund 3.000 Personen in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rhein-land-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Fall einer bundesweiten Pandemie mit einer fiktiven Erkrankungsrate von 33 Prozent der Bevölkerung, bundesweit ca. 400.000 Krankenhauseinweisungen und ca. 100.000 Todesfällen. Das Szenario war zusammen mit dem Robert-Koch-Institut entwickelt worden. Es brachte vor allem wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der psychologischen Reaktion der Bevölkerung in Krisensituationen.

Vorläufer der LÜKEX

Der Kalte Krieg zwischen den beiden Machtblöcken West und Ost, repräsentiert durch NATO und Warschauer Pakt, ließ einen Nuklearkrieg nicht ausgeschlossen erscheinen. Die NATO verfolgte in den 50er und 60er Jahren wegen ihrer Unterlegenheit bei den konventionellen Streitkräften die Strategie der massiven atomaren Vergeltung bei einem potenziellen Angriff des Warschauer Paktes. Um politische und militärische Entscheidungsprozesse zu erproben, führte die NATO daher von 1960 – 1968 im zweijährigen Rhythmus die FALLEX-Übungen („Herbstübung“) als Stabsrahmenübungen ein.

Ab 1971 wurde als Nachfolger der FALLEX-Übungen die WINTEX-CIMEX-Übungsreihe („Gesamtverteidigungsübung“) ins Leben gerufen. Sie bezog neben einem militärischen Sze-nario auch den Schutz der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall mit ein. Die WINTEX-CIMEX-Übungen waren Planspiele, die die Ausbildung verbessern sollten. Auch wurde ge-übt, wie militärische und zivile Verteidigungsmaßnahmen besser aufeianander abgestimmt werden können. Ab 1966 nahm die Akademie für zivile Verteidigung (AKzV) die Übungsvor-bereitung, -leitung und -auswertung für die zivile Seite wahr. Die letzte WINTEX-Übung fand im Jahr 1989 statt.

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.bbk.bund.de und www.luekex.de.

Quelle: BBK Pressestelle

Autor: Patrick Rörig, Freier Journalist im Deutschen Fachjournalisten-Verband AG (DFJV), Fotograf und Webdesigner


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