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Die Zukunft beginnt erst morgen

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(sc). Angeregt durch die Diskussionen auf feuerwehr.de, verschiedene Beiträge auf feuerwehrleben.de und nicht zuletzt durch Publikationen über die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehr vor dem Hintergrund des demographischen, sozialen, kulturelleren und ökonomischem Wandels, habe ich mir ein paar Gedanken über die Weiterentwicklung oder Neudefinition der Freiwilligen Feuerwehr gemacht.

Die meisten Diskussionen kreisen immer um den Aspekt „Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit“ und dem Festhalten am Status quo. Diese Leistungsfähigkeit orientiert sich dabei an den Standards, die sich bis zur Jahrtausendwende etabliert haben. Aber warum müssen diese Standards auch in naher Zukunft gelten? Muss jeder Feuerwehrmann ein Atemschutzgeräteträger sein? Muss denn jeder Feuerwehrmann sowohl Feuerausmachen wie Unfallrettung können? Ist der seit Jahrzehnten propagierte Universalfeuerwehrmann in der freiwilligen Feuerwehr überhaupt zukunftsfähig? Benötigt jede Gemeinde ab 5.000 Einwohnern ein HLF 20?

Um ein System oder eine Organisation weiterzuentwickeln, muss man es hinterfragen und nach Alternativen suchen. Ein Ansatz widmet sich der Substitution von freiwilliger durch hauptamtliche Feuerwehr, andere Vorschläge fordern eine Anpassung der Schutzzieldefinition und Auslagerung von bisherigen Aufgaben der kommunalen Feuerwehr. Es geht bei diesen Diskussionen jedoch immer um den Status quo – das Festhalten an dem, was wir bis zum heutigen Tag erreicht haben. Ich will nun einen anderen Ansatz diskutieren, der allerdings nur punktuell und keinesfalls auf die ganze Republik übertragbar ist.

Wenn viele freiwillige Feuerwehren nicht mehr in der Lage sind ihre gesetzlichen Aufgaben oder die Anforderungen diverser Dienstvorschriften zu erfüllen, dann stellt sich die Frage nach der Daseinsberechtigung und den entstehenden Kosten. Auflösung von Feuerwehren ist kein Allheilmittel, das vorweg, aber man muss über eine strategische Weiterentwicklung der freiwilligen Feuerwehr nachdenken, dies umso mehr, vor dem Hintergrund der Zunahme wetterbedingter Extremereignisse und der (Terrorisierung der Bürger durch) Terrorwarnungen.

Mein Vorschlag ist deshalb, die freiwillige Feuerwehr mehr zu einer reinen Katastrophenschutz- und Logistik- bzw- Unterstützungseinheit umzubauen, die sich nicht lokal, sondern regional im Sinne taktischer Verbände organisieren. Die klassischen Feuerwehraufgaben wie Brandbekämpfung und technische Hilfeleistung nehmen entweder personell verstärkte hauptberufliche Feuerwachen oder spezialisierte und schlagkräftige freiwillige (Stützpunkt-)Feuerwehren wahr.

Mein Vorschlag gewinnt auch aus einer anderen Perspektive Legitimation: Wenn ich eine freiwillige Feuerwehr in allen Bereichen des Feuerwehrdaseins ausbilde, dann muss ich diesen freiwilligen Feuerwehrmann auch einsetzen, damit er Erfahrung gewinnt. In der Praxis geschieht das gerade nicht – aus verschiedensten Gründen. Die Motivation zu jedem BMA oder unklarer Rauchentwicklung gerufen, dann aber wieder abbestellt zu werden sinkt mit jeder Alarmierung. Wenn ich ausbilde, diese Wissen jedoch nicht einsetze, dann sind die in die Ausbildung investierten Ressourcen schlichtweg vergeudet. Die Berliner Feuerwehr löst diesen Gegensatz dadurch, dass wenig beanspruchte freiwillige Feuerwehren Dienst auf Berufsfeuerwehrwachen schieben und dort dann gerade nicht als Schlauchträger fungieren.

Die Vorteile meiner Vorschläge liegen auf der Hand: Es gibt weniger Themen für die Ausbildung (der Einheit), die verbliebenen Bereiche erfahren aber eine intensivere Betrachtung und Beübung. Das führt in der Praxis dazu, dass die einzelnen Feuerwehrleute in ihrem Bereich ein mehr Wissen besitzen und routinierter sind. Es ergibt sich in Teilen auch eine Kosteneinsparung, weil jetzt nur noch das für die Aufgaben benötigte Gerät zu beschaffen, zu reparieren oder auszubilden ist – das durch zentrale Beschaffung natürlich einheitlich und kompatibel zueinander ist. Durch die Spezialisierung auf z.B. langfristige Ereignisse ergibt sich für die einzelnen Einheiten und den einzelnen Feuerwehrmann auch eine gewisse Planbarkeit, da das Ausrücken nicht mehr an die Schutzziele gebunden ist. Auch hier möchte ich ein Beispiel aus Berlin anführen. Es gibt freiwillige Feuerwehren die müssen nach 3 Minuten ausrücken können, andere haben 30 Minuten Vorlaufzeit – letztere sind dann die Wehren, die o.g. Wachschichten auf BF-Wachen durchführen, weil sie sonst vorrangig zu Großwetterlagen gerufen werden.

Mein Vorschlag ist aber auch Einschränkungen unterworfen, wie ich oben schon angedeutet habe. Die Spezialisierung erfordert die Verfügbarkeit von Einheiten, die nun die „klassischen“ Feuerwehraufgaben ausführen können. Eine Spezialisierung muss sich immer in ein ausgeklügeltes Gesamtkonzept einpassen lassen. Hier gibt es verschiedene Modelle, dies zu erreichen, von hauptberuflichen über Teilzeit- oder privatwirtschaftlich bezahlten Feuerwehrleuten. Außerdem muss es ein regionales oder sogar überregionales Konzept zur Bildung von kleinen Einheiten bis hin zu taktischen Verbänden geben. Was Feuerwehr A nicht mit an die Einsatzstelle bringt (egal ob Gerät oder Kompetenzen im Allgemeinen), müssen die Feuerwehren B und C im Renedvouzverfahren ergänzen.

Nachteile gibt es natürlich auch. So können sich die Eintreffzeiten der Feuerwehr durch längere Anfahrtswege verlängern. Ferner fehlen „auswärtigen“ Feuerwehrleuten eventuell wichtige Ortskentnisse bzw. der Draht zu den „Einheimischen“. Und noch etwas anderes sollte nicht unerwähnt bleiben: Der Reiz ein Feuerwehrmann zu werden, ginge verloren.

Meine Gedanken sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern orientieren sich an (im Ausland) vorhanden Strukturen. So ist z.B. die Bezirksfeuerwehr Großbasel (Milizfeuerwehr) der Stadt Basel (Schweiz) eine reine Unterstützungs- oder Ablösungskomponente für eine entsprechend starke Berufsfeuerwehr.

Ähnlich ist es in Dänemark organisiert. Stellt ein Dienstleister den Brandschutz, dann sind die kommunalen Kräfte, überwiegend Teilzeitfeuerwehrleute, mit entsprechendem zeitlichem Vorlauf auch in den Alarmplan eingebunden. (Autor: Stefan Cimander, www.fwnetz.de)

Literatur

  • Olaf Huth, Ole Hauptmann: Dänemark: Explosionskatastrophe in Kolding. In: Brandschutz. Nr. 3, 2005, S. 179-198.
  • Ulrich Cimolino, Andreas Bräutigam, Holger de Vries: Führung in Großschadenslagen: Taktische Verbände im Einsatz. Heidelberg 2010: ecomed.
  • Feuerwehr DK: Feuerwehr in Deutschland und Dänemark besucht am 2. Mai 2011 http://www.feuerwehr.dk/.
  • Stefan Cimander: Wieder dem Denkverbot. http://www.fwnetz.de/2010/05/15/wider-dem-denkverbot/
  • Stefan Cimander: Kein Ersatz für kommunale Versäumnisse. http://www.fwnetz.de/2009/11/27/kein-ersatz-fur-kommunale-versaumnisse/

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